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Das Logbuch:
Geschichten aus meinem Leben, Gedanken zu aktuellen Themen und sonstiger geistiger Unrat. Auch wenn mir vielleicht gar keiner zuhört, so darf ich hier wenigstens ausreden. Seite: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] [28] [29] [30] [31] [32] [33] [34] [35] [36] [37] |
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Donnerstag, 27. Februar 2014 23:46
Hach ja, die EU - Garant für Bluthochdruck seit 1992! :)
Jetzt haben sie's tatsächlich getan. Das EU-Parlament hat heute mit großer Mehrheit die verpflichtende Einführung von E-Call beschlossen. Der Zeitplan ist sehr ambitioniert, bereits im Oktober 2015 soll jeder Neuwagen mit E-Call ausgerüstet sein. Was erstmal klingt wie der Name eines billigen Telefonanbieters ist ein System zum automatischen Absetzen von Notrufen im Falle eines Unfalls, was ja in der Grundidee durchaus nicht schlecht ist.
In der offiziellen Presseerklärung der EU-Kommission vom Juni letzten Jahres werden in höchsten Tönen die Vorzüge dieses Systems gepriesen:
"Die Einrichtung eines EU-weiten interoperablen eCall-Systems stellt einen wichtigen Fortschritt in Bezug auf mehr Sicherheit im Straßenverkehr dar. Die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union können sich nun aufgrund dieses zeitsparenden Systems ein Stück weit sicherer fühlen, da es dazu beitragen wird, sowohl den Verlust von Menschenleben als auch Verletzungen auf unseren Straßen zu vermeiden. Außerdem machen wir mit diesem neuen System einen bedeutenden Schritt vorwärts in der Entwicklung intelligenterer Fahrzeuge und stärken damit unsere Wettbewerbsfähigkeit."
Wie gesagt, klingt erstmal vernünftig, hat aber dennoch einige Tücken, das erste, was mich persönlich stört ist die Tatsache, daß es verpflichtend und auch nicht deaktivierbar ist, zum anderen, daß dieses System auch für ganz andere Zwecke nutzbar und sogar von Anfang an dafür vorgesehen ist. Das Auto wird somit zur weiteren Wanze im Repertoire der allgegenwärtigen Überwachung. Dementsprechend mahnen die Datenschützer, groß zu interessieren scheint es keinen, die Affäre Edathy scheint momentan interessanter.
Den sogenannten "Schritt vorwärts" bezüglich intelligenter Fahrzeuge halte ich für wenig spektakulär. Was ist hieran bahnbrechend neu? Technologisch ist das Pillepalle. Man vernüpft die Bordtelemetrie mit einem GPS und einem Handy, ganz banale Technik, zumal es das als optionales Zubehör schon lange gibt, nur eben nicht EU-weit. Das Auto wird im Prinzip nur zwangsweise versmartet, wie inzwischen fast alles was mehr als drei Transistoren hat. Versucht doch heute mal noch einen qualitativ hochwertigen Fernseher ohne Netzanschluß zu kriegen. Es ist echt eine Seuche. Bin gespannt wann die ersten Staubsauger mit WLAN auf den Markt kommen.
Ein echter Schritt vorwärts wäre für mich endlich ein bezahlbares Elektroauto mit akzeptabler Reichweite, ein Benziner mit der Effizienz eines Direkteinspritzers ohne Feinstaub oder ein alltagstauglicher Wagen mit unter 100 Gramm CO2.
Man achte auch mal auf die selbstbewußte Überschrift dieser Presseerklärung: "eCall: Automatischer Notruf für Verkehrsunfälle ab 2015 Pflicht in Autos" Dies klingt, als wäre alles bereits beschlossen gewesen, was es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar nicht war. Die Kommission schien schon damals sehr überzeugt zu sein, ihren Vorschlag durchzubringen.
Die zusätzliche Agenda hinter dem ganzen kommt auch kurz zur Sprache:
"Auch die Wirtschaft wird davon profitieren, da eine große Zahl an Unternehmen an der Bereitstellung von Technologien, Bauteilen und Dienstleistungen für die verschiedenen Aspekte des eCall-Systems beteiligt sind, beispielsweise bordeigene Systeme, Datenübertragung per Funk und Systeme für öffentliche Notrufzentralen."
Das Totschlagargument Arbeitsplätze also wieder, wäre mal interessant zu wissen, wie viele dieser Arbeitsplätzen am Ende tatsächlich innerhalb der EU liegen werden.
Weiter heißt es:
"Ferner wird erwartet, dass die für eCall eingebauten bordeigenen Geräte für weitere Dienste genutzt werden können (z. B. für die Ortung gestohlener Autos)."
Tja, oder eben als Datenwanze für die Autoversicherer, die nur allzu gerne ihre Versicherungsnehmer überwachen wollen. Schon jetzt gibt es Versicherer, die Kunden mit einem Rabatt locken, wenn diese ihre Karre mit solch einem System verwanzen lassen. Aus dieser Ausnahme wird dann eine Regel werden und die Leute, die sich dagegen wehren werden sich ihre Freiheit und informelle Selbstbestimmtheit mit Geld (teurerer Tarif) erkaufen müssen. Mit dem Argument Sicherheit lässt sich eben vieles begründen und gut Kasse machen.
Auch die Autohersteller dürften nach diesem Datenschatz lechzen. Bei einer Panne telefoniert der Wagen dann künftig selbsttätig nach Hause, sendet Telemetriedaten (Die man dann bei Bedarf gegen den Kunden verwenden kann) und irgendwann wird das Ganze dann bidirektional automatisiert und der Hersteller spielt ohne Nachfrage ein Softwareupdate ein. (Erinnert mich an I-Robot, ich weiß auch nicht, warum.)
Ich möchte hier auch nicht unerwähnt lassen, daß der gerade stark medienpräsente ADAC hier kräftig mitgewirkt hat. Insbesondere wurde von Seiten des ADAC eine sogenannte offene Schnittstelle forciert, klar, wäre ja auch doof, wenn die Autohersteller dem ADAC durch eigene Pannenservices das Wasser abgraben würden. Tja, liebe Leute, so funktioniert Lobbyismus, wobei ich zugeben muß, in dem Fall sogar zuzustimmen.
Irgendwann werden sich dann garantiert auch die Ordnungshüter für dieses System interessieren. Mit dem Argument "Gefahr in Verzug" Verdächtige auf wenige Meter genau orten (geht ja mit Mobiltelefonen heute schon wunderbar), und dem Flüchtigen per Fernbefehl dann einfach mal die Karre stilllegen, feuchte Träume vieler Hardliner würden Wirklichkeit.
Ach ja, zum Thema ambitionierter Zeitplan: Schärfere Abgaswerte gibt es erst ab 2021: Erstaunlich, wieviel Zeit man bei manchen Sachen dann doch wieder hat.
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