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Das Logbuch:

Geschichten aus meinem Leben, Gedanken zu aktuellen Themen und sonstiger geistiger Unrat. Auch wenn mir vielleicht gar keiner zuhört, so darf ich hier wenigstens ausreden.

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Moderne Demokratie

Montag, 09. Februar 2009 23:26  
Sowas wie heute hab' ich noch nicht erlebt. Aber alles der Reihe nach:

Heute um 20:00 fand in Kelsterbach eine Stadtverordnetenversammlung statt. Tagesordnungspunkt 2 betraf die Entscheidung über den Verkauf des Kelsterbacher Waldes an die Fraport. Zum ersten Mal nahm ich als Zuschauer an so einer Sitzung teil. (Die sind öffentlich!) So ca. zehn vor sieben traf ich am Fritz-Treutel-Haus ein, hier befanden sich schon so ca. 30 Leute, die sich in der Folge rasch vermehrten (nein, nicht das, was Ihr denkt). So um viertel nach sieben wurde man dann eingelassen. Der Saal war ironischerweise bereits für die kommenden Faschingsfeiern bunt geschmückt, was dem ganzen "Theater" neben der reichlichen Präsenz von Polizeikräften einen unfreiwillig komischen Rahmen verlieh.



Als einer der ersten, die rein kamen, ergatterte ich einen Platz direkt in der ersten Reihe neben einer hypernervösen älteren auswärtigen Dame, die sich gar nicht mehr einkriegen konnte und pausenlos schwatzte und dadurch zu meinem Leidwesen das Interesse diverser Kamerateams auf sich zog. Als der Saal schließlich voll war, drängten sich vor der Tür noch Leute, die nur nach minutenlangem lautem Protest der Anwesenden eingelassen wurden, hier hatte ich das erste Mal die Befürchtung, daß die Stimmung kippt, aber nach Einlass der Leute beruhgte sich die Menge wieder.



Bei aller Zustimmung zu den Sachen, die meine Sitznachbarin sagte, fand ich das dann doch ein wenig anstrengend und suchte mit einen neuen Platz, zumal einige Zuschauer inzwischen die Plätze an den Tischen vor uns okkupierten, die eigentlich für die Presse gedacht waren. Ich setzte mich auf der linken Seite auf den Bühnenaufgang. Hier saß ich in erhöhter Postion und hatte einen guten Blick auf das Geschehen. Hier traf ich dann auch noch Christian, und auf der Bühne hinter den Plätzen von Bürgermeister und Stadtverordneten wurden unter dem Beifall der Gäste Transparente ausgerollt. Kurz vor Sitzungsbeginn entfernte man dann aus Angst vor Wurfgeschossen noch hektisch sämtliche Flaschen von den Tischen. Und dann ging's los.

Folgendes Sitzungsprotokoll entstand anhand meiner Mitschrift und erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf 100%ige Richtigkeit. Oder kurz: ALLE ANGABEN NACH BESTEM WISSEN UND GEWISSEN ABER OHNE GEWÄHR!!!


20:05:

Stadtverordneter Hardt eröffnet die Sitzung mit leichter Verspätung und muß schon gegen einige Störer anreden. Als erstes beantragt die WIK eine Änderung der Tagesordnung, nämlich die Streichung des besagten Tagesordnungspunktes 2, der Stadtverordnete Imbrognio von der WIK begründet wie folgt:

  1. Nach Einreichung diverser "Bürgerbescheide" soll die Entscheidung der Stadtverordneten nicht ohne vorheroige Anhörung der Bürger erfolgen.

  2. Desweiteren fehlen der WIK wichtige Unterlagen zum Ausbau, im einzelnen u. A. Information zur vorseitigen Besitzeinweisung durch den VGH Kassel. Ein übereifriger Abgeordeter der SPD fällt durch einen unqualifizierten Zwischenruf negativ auf und kriegt die Quittung in Form von Pfiffen aus dem Publikum und einer Rüge durch die WIK-Leute.

  3. Schließlich, so findet Imbrognio hat die Resolution der Stadtverordneten von vor über zehn Jahren, nämlich bis zum letzten gegen den Ausbau zu kämpfen, nach wie vor Gültigkeit und die Bürger müssten auf alle Fälle in den Entscheidungsprozess über eine Sache eingebunden werden, die den Werdegang von Kelsterbach für die nächsten 50 Jahre entscheidend bestimmt.

Imbrognios Vortrag erntete breite Zustimmung und Applaus unter den Zuschauern.


20:13:

In der anschließenden Abstimmung wird der Antrag mit den Stimmen der SPD und CDU unter großem Protest der Zuschauer abgelehnt.


20:15:

Die SPD beantragt, ohne vorherige Aussprache in die Abstimmung über den Verkauf des Waldes einzutreten. Jetzt wurde es richtig laut und der erste Schuh (ein Damenschuh) flog in Richtung CDU-Fraktion (und traf nicht).

Und dann ging alles ganz schnell. So schnell, daß ich es zuerst gar nicht mitgekriegt habe. In dem wachsenden Tumult wurde (wie ich später erfuhr) die Tagesordnung auf den Punkt 2 (Abstimmung über den Verkauf) reduziert und die Abstimmung innerhalb von 2 Minuten durchgepeitscht, ohne daß eine erkennbare genaue Stimmauszählung erfolgt wäre. (Später im TV hieß es, die Abstimmung wäre 32 zu 5 für den Ausbau ausgegangen.)

Begleitet von "Ockel Raus!"- Rufen verließ der Bürgermeister gleich im Anschluß unter Polizeischutz den Sitzungssaal, (und erhielt noch eine unfreiwillige Dusche durch einen übereifrigen Ausbaugegner) womit um 20:18 die Sitzung bereits beendet war, die laut Plan bis 23:45 laufen sollte. Damit war dann auch die geplante HR-Live-Übertragung der Sitzung geplatzt, ganz abgesehen von den anderen zu behandelten Tagesordnungspunkten. Der HR-Beitrag im Hessenjournal dauerte dann auch nur ca. 4 Minuten.

Es bleibt jedem selbst überlassen, was er von solch einem Verhalten zu halten hat. Ich finde jedefalls nicht, daß solche "Gewaltabstimmungen" ein Paradestück deutscher Demokratie sind. Hier wurde eiskalt eine (natürlich längst beschlossene) Sache durchgeboxt und so kurz wie möglich abgehandelt. Die Kelsterbacher Stadtverordneten jedenfalls haben (abgesehen von der WIK) ihr Ziel erreicht, ihre Glaubwürdigkeit angesichts der Versprechen vor der letzten Wahl aber vollends verspielt.

Im Anschluß rief jemand zu einer spontanen Demonstation auf und nach kurzer Rücksprache desselben mit der Polizei wurde ein Marsch zum Rathaus organisiert, der sogar von der Polizei begleitet wurde. Hier nochmal ein großes Lob an die Polizeibeamten, die das ganze unkompliziert und unbürokratisch ermöglicht und unterstützt haben. Und da auch die Demonstranten sich benehmen konnten, blieb bis zum Schluß alles friedlich und es kam nicht zu weiteren Auseinandersetzungen. So wie es sein soll.

Jetzt soll es noch einen Bürgerbescheid geben. Angeblich ist das noch eine Chance, den Verkauf zu verhindern, aber ich weiß nicht, inwieweit das überhaupt eine realistische Option ist.

Der HR schreibt übrigens im Teletext unter anderem: "Aufgebrachte Ausbaugegner stürmten den Sitzungssaal,[...]"

Also bei allem Protest ich hab' da niemanden "stürmen" sehen.

Bilder von S. Paegelow, vielen Dank dafür. :)
 

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